Kultur
Uraufführung am 11. September 2011
II.9.II – DNA der Erinnerung
Eine Stahlklage von Berkan Karpat
Karolinenplatz + Amerika Haus
16 - 21 Uhr
Eintritt frei
TEAM
Sprecher: Gabriele Maria Graf, Peter Pruchniewitz
Konzept, Regie: Berkan Karpat
Szenisches Poem: Zafer Şenocak, Berkan Karpat
Klanglandschaft: Alessio Zachariades
Licht: Pipon
Videoinstallation: Joachim Puls
DNA Sequencing: Prof. Dr. med. Thomas Meitinger
DNA Sequence Data Processing: Prof. Dr. Klaus Kuhn
Robotik: Prof. Dr. Alois Knoll
Roboterprogrammierung: Dipl.-Inf. Markus Rickert, Lutz Deppisch
Produktionsleitung: Ulrich Zentner
Fotografie: Volker Lannert
Presse- u. Öffentlichkeit: Simone Lutz, Kathrin Schäfer
Berkan Karpat wird wahlweise als Regisseur, Installationskünstler, Theatermagier, Poet, High-Tech-Mysiker oder Avantgardist bezeichnet und produziert seit 1998 theatrale Skulpturen im öffentlichen Raum. Raum-Poeme könnte man seine Werke nennen; dreidimensionale, bildgewaltige, begehbare Gedichte, die mit leichter Hand die scheinbar unversöhnlichen Pole Spiritualität und High-Tech verbinden.
In den letzten Jahren arbeitet der Münchner Künstler an einem Triptychon, das sich mit der Flüchtigkeit der menschlichen Existenz auseinandersetzt, und um die damit verbundenen Felder Erinnern und Vergessen kreist. So verwandelte er 2010 den Münchner Königsplatz in ein betretbares Gesamtkunstwerk, ein Klagelied mit 12.000 Hummeln für alle Vernichteten und Vergessenen der Geschichte (DNA des Vergessens, 9.10.10).
Karpats diesjähriges Projekt kreist um das Erinnern und seine Kultur. Wie gedenken wir? Und: Wessen gedenken wir? sind Fragen, die sowohl der persönlichen Sphäre als auch der gesellschaftlichen (in all ihren Ausprägungen national, religiös, etc.) angehören. Über Erinnerung wird Identität konstruiert – kollektive und individuelle – und als solches ist sie auch Instrumentalisierung und Machtpolitik unterworfen.
Kein Tag des 21. Jahrhunderts hat sich so im kollektiven Gedächtnis, zumindest der westlichen Welt, eingegraben wie der 11. September 2001. Er ist als Gedenktag ein Kristallisationspunkt persönlicher und politischer Erinnerungskultur. Karpats „II.9.II – DNA der Erinnerung“ durchleuchtet und verwurzelt dieses Gedenken. Verwurzelt es gewissermaßen „rück“ zum Allerpersönlichsten, Privatesten, Individuellsten – dem Menschen.
In eine 12 Meter lange Stahlplatte auf dem Karolinenplatz in München werden die DNA-Sequenzen von Hinterbliebenen der Opfer des 11. September 2001 eingebrannt. Die Gravierung geschieht mittels eines Industrieroboters, dessen Bewegungen durch die DNA-Sequenzen gesteuert werden. Es entsteht ein abstraktes Muster, geometrischer Anordnung, das verschiedene Tiefen aufweist und die Stahlpatte teilweise auch durchbricht.
Namenlose Körpererinnerungen, Versatzstücke von Identitäten, von Leben, von Personen, von Schicksalen sind es, die per Zufallsgenerator aus dem DNA-Datenstrom ausgewählt werden. Funkensprühend schneidet der Roboter sie in Stahl ein, eine Architektur aus Körperdaten. Eine Skulptur des Flüchtigen, der durch den Stahl scheinbare Dauer und Ewigkeit verliehen wird. Doch auch die Spuren im Stahl korrodieren, vergehen und verwehen…
Eine Produktion von Berkan Karpat in Zusammenarbeit mit dem Amerikanischen Generalkonsulat München.
Gefördert vom Kulturreferat der LH München und mit freundlicher Unterstützung von B.A.Z. Amerika Haus München, Technische Universität München, Kuka Roboter GmbH, Filmsalz und St. Leonhards Vertriebs GmbH+ CoKG
Berkan Karpat wurde 1965 in Istanbul geboren und wuchs in München auf. Seit 1998 kreiert er Inszenierungen und Installationen, die zwischen Theater, Bildender Kunst und Wissenschaft ebenso wie zwischen Orient und Okzident changieren. Sie zeigen eine poetische Bilderwelt, die Grenzen sprengt und ebenso unmittelbar sinnlich wie nachhaltig anregend wirkt. Viele seiner Arbeiten wie „tanzende der elektrik“ am Odeonsplatz, „robinsonsyndrom2“ im Englischen Garten oder „Mariens Woyzeck Ghaselen“ auf der Großhesseloher Brücke fanden mit großem Erfolg im öffentlichen Raum statt.Auch über die Grenzen Münchens und Europas hinaus hat sich der Künstler einen Namen gemacht, so war er mit Werken zu Gast beim renommierten CyberArts-Festival in Boston/ USA, beim Festival sequences in Reykjavik/Island, in der Hagia Sofia/Istanbul, Türkei, sowie beim Schumann-Festival in Düsseldorf. Er konzeptionierte und gestaltete - ebenfalls in Düsseldorf - im dortigen museumkunstpalast die Islam-Ausstellung „ich esse licht“.
Darüber hinaus führte Berkan Karpats innovativer künstlerischer Ansatz zu einer Reihe von internationalen Einladungen an Universitäten und Museen, bei denen er seinen künstlerischen Ansatz vorstellte, u.a. Université du Québec à Montréal, Montreal/Kanada, Massachusetts College of Art, Boston/USA, Hyper-Studio, M.I.T. Cambridge/USA, Folkwang Museum, Essen, Inst. für Kunstgeschichte und Inst. für Theaterwissenschaft, LMU München, Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design, Halle/Saale, und Lewisham College, London. Zuletzt war er mit einem Vortrag zu Gast im Louvre, Paris.
Karpat veröffentlichte außerdem verschiedene Gedichtbände, meist zusammen mit dem Autor Zafer Şenocak („landstimmung – neue gedichte“[Babel Verlag, 2008], „futuristenepilog – poeme“[Babel Verlag, 2008] und „wie den vater nicht töten“*: [ein Sprechlabyrint, in: Morgenland, Fischer Verlag, 2000]. Darüber hinaus setzt sich Karpat für die Förderung junger Lyriker ein und ist Mitinitiator der Veranstaltungsreihe LYRIKOASE im Alten Hof München.